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Dem Kaiser sein Gin

Anders sein. Das wollte Marcus Kaiser schon immer. Stadthalle, Craftbier: Das Risiko? Jedes Mal hoch. Und jetzt? Jetzt geht's weiter. Mit einem eigenen Gin.

Nase drüber und tief rein damit. Ins Glas. Riecht nach Rose. Nach Mandarine. Auch nach Mandel. Möchte man meinen. Wobei man das ja nie so genau weiß. Also was die Nase so riecht, wenn man sie nicht nur über, sondern gleich direkt rein ins Glas hält. Aber, doch, richtig, das passe schon. Sagt Marcus Kaiser und nickt. So soll er schmecken, sein Kaiser Gin. Der nicht nur im Glas, sondern auch in der Flasche rosé schimmert und damit nicht aussieht wie all die anderen, die gar nicht schimmern, sondern alles durchscheinen lassen.

Das sei ja der Anspruch; nicht so sein, wie andere. Anders sein, das wollte Marcus Kaiser schon immer. Und das gelingt auch. Fast immer. Etwa, als er sich dazu entschieden hat, die Bünder Stadthalle zu pachten. Einige fanden das wahnsinnig. Er selber auch. Aber hat’s trotzdem gemacht – und weiß heute: ja, war wahnsinnig. Geht aber. So wie die Sache mit dem Kaiser Craftbier. Als er da so mit einem Freund vor dem riesigen Topf in der Stadthallenküche stand, dachten sich beide: wenn man hier mal nicht gut Bier brauen kann.

Wie kommt man darauf?

Und dann habenn sie einfach angefangen. Es selber getrunken, andere probieren lassen, es in Kneipen ange­liefert, in Geschäften verkauft. Auch heute noch. Bis nach Bielefeld, Hamburg, Berlin und Potsdam hat es ihr Bier gebracht, aber damit waren sie auch mittendrin in der Welt der Getränkewirtschaft.

Und wenn man ehrlich ist, dann will man das nicht. Also da drin sein. Weil da gleich die Ellbogen, die Fragen nach den Werbekostenzuschüssen, die Konkurrenten und einige unschöne Momente inklusive sind. Es soll ja so was wie ein Hobby sein. Und bleiben. Mit dem Gin ist das nicht anders. Wäre es nicht schön, wenn es auch einen eigenen, einen anderen Gin gäbe?

Aber wäre das auch realisierbar? Eher nicht. Sagten ganz viele am Telefon und winkten ab. Noch so ein Wahnsinniger, der meint, nur weil er gerne Gin trinkt, kann er auch Gin verkaufen. Andere witterten das große Geschäft und boten Flaschen in fünfstelliger Anzahl an und fantasierten von Umsätzen und Größenordnungen, die selbst Marcus Kaiser wahnsinnig vorkamen. Es soll ja klein sein, fein sein. Am Ende nickte eine Brennerei irgendwo zwischen Hamburg und Bremen. Doch, das sei vorstellbar.

Was sie nicht ­wussten: Es sollte alles andere als einfach werden. Marcus Kaiser reiste also nach Bremen und erzählte, wie denn sein Gin schmecken solle. Irgendwie fruchtig, irgendwie floral. Nur wie genau? Es muss eine kräftige Becherei gewesen sein, die am Ende das Ergebnis brachte. Doch, so konnten sich das beide vorstellen. Also ab damit in die Flasche, Etikett drauf und ab damit, per Spedition nach Bünde. Es hätte, das weiß Marcus Kaiser heute, so einfach sein können. 

Aber welche Flasche wollte er eigentlich? Und was für ein Etikett? Verschluss lieber Korken oder Plastik? Fragen über Fragen. Zwei Monate lang schlich er zu Hause um all die Flaschen, die als Muster auf seinem Esstisch standen. Nahm die eine in die Hand, wog sie abschätzend. Und stellte sie wieder zurück. Doch, da habe er nen Nagel im Kopf.

Als er sich entschieden hatte, wusste, dass es kein Steingut, sondern Glas sein sollte, dass er keine bauchige Flasche, sondern etwas Hochgewachsenes wollte, stellte er seinen Favoriten auf den Tisch und wusste: das ist sie, meine Flasche. Bis er merkte, dass sie irgendwie kippelte. Stirnrunzeln, Anruf beim Produzenten – O-Ton: kommt mir doch nicht mit so was – und alles wieder von vorne.

Ein bisschen wahnsinnig

Das Gute daran: Er hatte ja keinen Zeitdruck. Obwohl: Wäre schon schön gewesen, hätte er die Weihnachtszeit mitnehmen können. Andererseits hatte er ja Zeit. Und saß doch ungeduldig zu Hause, als die exakt 956 Flaschen angeliefert wurden. Zwei geschlagene Tage brauchte er, bis er den sogenannten Schrumpf aufriss, den Deckel aufschraubte, sich das erste Glas eingoss. Und erst einmal nur dran schnupperte. Doch, das war er. Sein Kaiser Gin.

Mittlerweile trinken ihn viel mehr. Kaufen ihn bei Pollner in Bünde, bei Schuster in Herford, im Adler, natürlich im Universum, in der Stadthalle. Wundern sich über die außergewöhnliche Flasche, über den farbigen Schimmer. Vielleicht auch darüber, warum denn Marcus nicht selber brennt. Aber die Lizenz für eine sogenannte Brennblase gibt es nicht um die Ecke, auch nicht in der Ferne und ist zu teuer, zu aufwändig und hat mit dem Abenteuer des Bierbrauens nichts zu tun. Das überlässt man besser echten, professionellen Könnern. Die eben zwischen Bremen und Hamburg wohnen. Und produzieren.

Wer sich allein mit dem Riechen nicht zufriedengeben will, der gießt zum Gin natürlich Tonic. Und Marcus Kaiser ist keiner, für den es nur die eine Paarung zwischen seinem Gin und diesem gaaaanz speziellen Tonic Water gibt. Er funktioniert sogar mit Schweppes. Aber, ein bisschen Stil muss sein, dann doch lieber das von Fever Tree, Eis rein, ein klein bisschen ­Orangen- oder Mandarinenschale und fertig ist der Gin Tonic. Funktioniert auch und sogar mit Gurke, aber verwirrt dann doch Geschmacks- und Geruchsnerv und sei, doch, ein wenig wahnsinnig. Was ja für ihn alles ist, nur kein Ausschlusskriterium.